ACHTUNG: dieser Post ist unfassbare
1751 Wörter lang geworden und nur für Leser mit Durchhaltevermögen
und Zeit geeignet, alle anderen sollten sich vielleicht oder zunächst
aufs Anschauen der Bilder beschränken !!!
Zum Beginn des Neuen Jahres hatte ich
mir nur eines vorgenommen, keine guten Vorsätze zu fassen. Aber so
ganz ohne Ziele für 2017 bin ich dann doch nicht ins Jahr gestartet.
Eines dieser Ziele - die weniger an einen bestimmten Zeitraum,
sondern an die Idee von persönlicher Entwicklung in kurz-, mittel-
und langfristigen Instanzen geknüpft sind – ist das Nähen einer
kleinen Garderobe.
Kleine Nähprojekte machen mir immer
großen Spaß, außerdem sind sie relativ simpel und schnell zu
gestalten und damit leicht in einen eng bemessenen Freizeitrahmen zu
integrieren. Jedoch habe ich festgestellt, dass mir besonders die
Handarbeiten am Herzen liegen, in die ich mehr Zeit investiere und
die neben einem dekorativen Nutzen auch noch praktische Verwendung
finden. Es ist schön ein paar selbst gemachte Topflappen in der
Küche zu verwenden, ein selbst geschneidertes Kleidungsstück zu
tragen ist eine noch viel freudigere Erfahrung. Ganz zu Schweigen von
dem Ego-Streichler, den jedes Kompliment für das Kleidungsstück
bedeutet.
Bislang habe ich mich selbst eher
selten herausgefordert und immer nur Nähprojekte in Angriff
genommen, von deren Erfolg ich wenigstens zu 70% überzeugt war. Das
soll sich ab sofort ändern, die Herausforderungen sollen größer
werden, die Schnitte komplexer oder gänzlich neu, der Faktor
Unbekannt soll steigen und das Lernen von Techniken (und durch
Fehlversuchen) im Fokus stehen.
Im vergangenen Jahr habe ich ja schon
ein paar meiner Röcke gezeigt, den Klavierrock und den Sommerrock
zur Aktion des MeMadeMittwoch. Und auch in diesem Jahr zeige ich euch
als erstes einen selbst genähten Rock (okay, eigentlich sind es
drei), aber ihr werdet sehen, die Ansprüche steigen und es soll
nicht nur bei den Röcken bleiben. Auf meiner Wunschliste stehen
Oberteile, Kleider und eine Hose. Heute aber zu Beginn noch einmal
das Thema Rock.
Wer hier regelmäßig mitliest, der
weiß um meine Recycle-Leidenschaft, ich mag es aus alten Stoffen
etwas Neues zu gestalten, mir gefällt daran der ökologische und der
ökonomische Aspekt, das ressourcenschonende Wiederverwerten und die
geringe finanzielle Aufwendung. Oft bekomme ich Stoffe und ähnliche
Materialien aus meinem Bekanntenkreis, ab und an gehe ich aber auch
auf die Suche danach, in Second-Hand-Läden oder auf Flohmärkten.
Vor einiger Zeit bin ich zufällig auf einen Laden gestoßen in dem
für einen humanitären Zweck alle möglichen Waren angeboten wurden
und dort ist mir ein besonders schönes Stück untergekommen, ein
handgenähter Kilt aus einem qualitativ hochwertigem Wollstoff.
Ein Ausnahmefund und ein absolutes
Schnäppchen bei einem Räumungsspreis von 2€ !
Der Kilt muss ein Damenkilt gewesen
sein, der von einer erfahrenen Näherin hergestellt wurde. Indizien
dafür sind die saubere Verarbeitung und vor allem die Arbeit die in
das Faltenbild des Kilts geflossen ist. Es war gut zu erkennen (vgl.
Bild unten), dass jede Falte durch absteppen sicher verankert wurde
und so gelegt war, dass die zusätzliche Weite zwischen Taille und
Hüfte gleichmäßig verteilt wurde. Bei günstigen Kilts oder bei
Kilt inspirierten Röcken wird in der Regel die Reduktion der Weite
einfach durch Abnäher erzielt, was signifikant weniger Arbeit, Zeit
und Können in Anspruch nimmt.
Ein bisschen habe ich es bedauert, den
schönen Kilt auseinander zu nehmen, aber er hätte mir so beim
besten Willen nicht gepasst. Bevor ich aber den Nahtauftrenner
bemühte, musste ich einfach wissen welchen Taillienumfang die
frühere Besitzerin wohl gehabt haben mag, das Maßband verriet eine
Taillienweite von 54 cm. (das entspricht glaube ich einer Größe XXS
oder der Amerikanischen Size 00 !) Aufgrund der Kilt-Länge muss die
Dame oder vielleicht war es ein junges Mädchen auch noch von
elbenhafter Größe gewesen sein. Ich dagegen habe eher Hobbit-Maße.
Nach zweieinhalb Stunden waren alle
Falten aufgetrennt, der Taillengürtel gelöst, die Accessoires
entfernt und ich in Fädchen begraben. Danach ging der Stoff in die
Handwäsche, da er aus mindestens 80 % Wolle besteht hieß das
eiskaltes Wasser, wenig Waschmittel und unendlich viele Spülgänge.
Ich arbeite und trage gerne Wollstoffe, aber Textilpflege bedeutet im
Fall von Wolle immer Handarbeit und kalte Finger. Nach dem Antrocknen
ging es mit dem Stoff direkt zum Bügelbrett, wo ich mit Bügeltuch
und jeder Menge Dampf den Falten den Kampf ansagte.
Dann lag er da, der wunderschöne Stoff
und wollte unbedingt zu neuem Leben erweckt werden. Aber ich wollte
auf gar keinen Fall etwas daraus nähen, was ich nicht auch gerne und
oft tragen würde, deshalb war schnell klar: erst muss noch der
perfekte Schnitt zum Stoff gefunden werden. Nicht irgendeinen Schnitt
sondern meinen eigenen, selbst konstruierten Schnitt. (Kann man an
dieser Stelle den Größenwahn, deutlich genug herauslesen?)
Ich wollte einen Rock, der das
Tartan-Muster gut zur Geltung kommen lässt, also schlicht ist und
ohne viele Nähte auskommt. Das Muster sollte horizontal
ununterbrochen verlaufen und auch in der Vertikalen nicht durch
unglücklich positionierte Abnäher optisch verzerrt werden.
Um sparsam mit dem Stoff um zu gehen -
vielleicht würde der restliche Stoff ja noch ausreichen um ein
Accessoire zu nähen – war schnell klar, es sollte ein
Bleistiftrock werden. Dieser sollte eng anliegen und damit eine Lücke
in meiner Garderobe schließen, denn einen“ echter
Sekretärinnen-Rock“ fehlt darin. Mir gefiel die Idee eines
integrierten Tailliengürtels, wie der Kilt ihn ursprünglich auch
hatte und um trotz eines engen Sitz uneingeschränkt laufen zu können
sollte der Rock eine angeschnittene Gehfalte bekommen.
Da ich mir fast sicher war, was den
Erfolg des ersten Schnittmusters anbelangte, suchte ich in meinem
Stoffvorrat nach einem karierten Stoff und in meiner umfangreichen
Link-Sammlung nach einer Anleitung zum konstruieren eines
Rockschnitts. (Die ich hier nicht verlinke weil mich das Resultat
nicht genügend überzeugen kann.) Wie man eine Gehfalte näht schlug
ich bei Liselotte Kunder in „Schneidere selbst“ nach und
legte einfach los.
Der Rock ist tragbar, könnte aber
besser sein. Das Taillenband sitzt nicht eng genug und leider auch
ein bisschen höher als meine natürliche Taille. Die Abnäher sind
nicht schön positioniert und die Gehfalte ist bei der vorsichtigen
gewählten Reduzierung der Rockbreite ohne wirkliche Funktion.
Außerdem bedeutet eine angeschnittene Gehfalte einen erhöhten
Stoffverbrauch, soll doch das Tartan-Muster möglichst ununterbrochen
wirken. Gleiches gilt für den Reißverschluss, den ich bei dieser
Variante im Rücken positioniert habe. Der Knopfverschluss in der
Taille ist ebenso ein Detail, das mir für den Schotten-Stoff nicht
gefällt.
(Mehr zu diesem Rock und auch dem
zweiten, nachfolgenden Modell können die Ausdauernden unter euch in
meinem gestrigen Post für den Creadienstag lesen.)
Bei meinem zweiten Schnittmuster habe
ich mich weitgehend an die Konstruktionsangaben von Winifred
Aldrich in „Metric pattern cutting for women's wear“
gehalten. Weil das Musterangleichen beim ersten Versuch schon
erfolgreich war, kam für Rock Nr. 2 Ein Stoff ohne Muster in Frage.
Den Reißverschluss habe ich in die Seite gelegt, die Abnäher sind
deutlich besser positioniert und auf eine Gehfalte habe ich ganz
verzichtet. Dafür ist der Rock gleich oben und unten ein Stück
kürzer geworden. Um zu sehen wie mir ein Rock gefällt, der etwas
tiefer als in Taillehöhe sitzt, habe ich die Taille einfach einen
Zentimeter tiefer geschnitten, die Abnäher habe ich deshalb um die
selbe Distanz nach unten verlängert, glaube aber nicht, dass sich
durch diesen Schritt die Passform des Rocks wesentlich verändert
hat. Weil ich zudem mit Stoffknappheit konfrontiert war, wurde der
Rock ein Stück kürzer als sein Vorgänger. Die Reduktion der
Rockweite zum Saum hin habe ich erhöht und darauf geachtet, dem
angeschnittenen Saum genügend Weite zuzugeben.
Der Sitz ist wie beim erst Rock nicht
Ideal, dieses mal macht der Rock mich durch seinen tiefen Sitz, fast
auf dem Hüftknochen, ein bisschen Breiter als ich erscheinen oder
sein möchte. Ist aber durchaus tragbar, besonders mit langem
Pullover zum darüber Tragen. Außerdem kann am Saum immer noch an
Weite weg genommen werden, ohne das ich beim Gehen signifikant
eingeschränkt werde.
Nun hatte ich also einige Parameter für
den idealen Schnitt getestet und war bereit ein letztes Mal Maß zu
nehmen, Bleistift und Schneiderlineal (Eines der tollen
Weihnachtsgeschenke.) einzusetzen und in den Kilt-Stoff zu schneiden.
Schnitt Nr. 3 wurde noch ein kleines
Stückchen kürzer und zum Saum hin enger, als seine Vorgänger. Um
heraus zu bekommen, wie der Stoff am Besten wirken würde und wie ich
das Schnittmuster trotzdem ressourcenschonend Einsätzen könnte,
habe ich eine ganze Ewigkeit hin und her überlegt. Ich bin mit dem
Stoff vor den Spiegel gezogen und habe ihn probehalber angehalten,
geschaut wie das Muster möglichst schmeichelhaft am Körper liegt,
wo sich die Saumkante am Schönsten bricht und wie die Abnäher
möglichst dezent im Mustersatz liegen. Einen Moment lang habe ich
sogar darüber nachgedacht die markantesten Stofflinien auf die
Schnittmusterteile zu übertragen, dann aber gemerkt wie ich mich
schon wieder in die Sache verrannt habe. Nach einer Kaffeepause ging
es mir besser und die Stoffteile wurden in schneller Folge einfach
ausgeschnitten.
Das Zusammennähen verlief, dank der
ausgiebigen Übung an den vorherigen Varianten, ganz simpel und
schnell. Der Reißverschluss ließ ich in Windeseile von Hand
einnähen und beim Saum hab ich (anders als zuvor) sogar auf eine
einfache Maschinennäht zurückgegriffen. Der Rock ist in jägergrün
gefüttert und kommt bislang auch ohne Haken und Öse zusätzlich zum
Reißverschluss aus.
Mit meinem fertigen Rock bin ich
ausgesprochen zufrieden, er sitzt nahezu perfekt, tut das was er soll
und die kleinen Makel in der Verarbeitung sind nicht mal in meinen
kritischen Augen einer detaillierten Benennung wert. Kein anderer
meiner Röcke ist so kurz oder zeigt so genau meine Kurven. Fürs
Büro ist er bestimmt nicht mehr schicklich, aber ich finde ihn in
dieser Länge klasse. Gehen ist damit auch kein Problem, nur Klettern
oder gar Laufen ist definitiv nicht ohne Probleme möglich.
Kombinieren lässt er sich auch ganz gut, weshalb er schon mehrfach
zum Einsatz kam und nun feste Bestandteil meiner
Herbst-/Wintergarderobe ist.
Gleich beim ersten Ausgang mit dem
Rock, bin ich auf das Tartan-Muster angesprochen worden. Um ehrlich
zu sein habe ich mir bis dahin keine Gedanken über möglich
„Clan“-Zugehörigkeit gemacht und konnte bislang auch nichts
Sicheres in Erfahrung bringen. Dafür bin ich aber auf einen
Schnappschuss aus der Fernsehserie Friends gestoßen:
Bildrechte gehören, wie die Serie und
all ihre Figuren, Warner Bros. Entertainment
Jetzt heißt der Rock also Rachel
und ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich bei dem Karomuster
nicht um ein eingetragenes oder geschütztes Geschmacksmuster
handelt. Aber ich freue mich über Informationen oder Korrekturen,
wenn jemand mehr weiß.
Gratulation an Alle, die es bis hier
hin geschafft haben. Seid euch meines Dankes sicher und gönnt euch
zur Erholung eine Tasse Tee. Und schaut noch unbedingt bei den
anderen Teilnehmern des heutigen MeMadeMittwoch vorbei.
Lieben Gruß
Bis bald
Sophie